Früher habe ich mich immer darüber geärgert, wenn blöde Witze über die Schwarze Szene gemacht wurden, da ich mich dort heimisch gefühlt habe. Mittlerweile kann ich viele Vorurteile nur bestätigen. Dass eine „Band“ wie Blutengel bei den „Goten“ erfolgreich ist, zeigt nur, wie albern die Szene geworden ist. Bei der Recherche für die WGT-Vorbereitung in diesem Jahr stieß ich auf folgendes Video, dass ich hier festnageln möchte, damit es mir (quasi als „Horrorfilm“) nicht mehr verloren geht. Unglaublich, mit welcher Penetranz jedes noch so abgelutschte Grufti-Klischee hier ausgewalzt und ad absurdum geführt wird. Zur Musik werde ich mich absichtlich nicht äußern…

Fledermäuse, Vollmond, Kirchenglocken, Schloss im Dunkeln, Fackeln, Kerzen, einsamer Held, Sarg (10 Sekunden), „Kirchenchor“, große Liebe in Form eines Bildes, elend lange Fingernägel (15 sec), Blut trinken, verschüttetes Blut (24 sec) – jetzt kommt erst mal der abstruse neuzeitliche Teil, wie aus einer Autowerbung, wo der Held mit seiner Benzinkutsche durch die Gegend düst, man muss ja neu Käuferschichten ansprechen – Vampir beißt schöner Frau in den Hals, Vampirkind tut es auch, eisernes Tor, mit Lüster beleuchtetes Zimmer, Frau fackelt im Hintergrund, vier Tanzmäuse, der Held hockt in der Mitte auf dem Thron, Klamotten alle schwarz, Lack und Leder, düstere Atmosphähre (45 sec – die Klischeeabfolge wird in Folge etwas gedrosselt), rote Augen, alberne Uniform, Totenschädel, Friedhofszene, Gruftidisko – Vokabeln wie Schicksal, Blut und Ewigkeit dürfen im „Text“ selbstverständlich nicht fehhlen, Grufti-Erotik, versunken Tanzende Goten, nackte Haut, Spitzenwäsche, ein leicht geöffneter Frauenmund mit knallroten Lippen, Vampirgekaspere, Piercings, wieder Blut, Strapse und kurze Röcke, Fackeln und so weiter und so fort. Viel neues passiert nicht mehr, ein bissel Lesbensex, billige Pornoästhetik, Tattoos und immer wieder Blut und Feuer…

Ich dachte früher mal, dass die Schwarze Szene eine Ansammlung von eher in sich gekehrten Menschen ist, die Interesse an guter Musik, Filmen, Büchern haben und ja, auch die angeblich dunkle Seite des Lebens mögen und die sich lieber fernab von Massen und konsumistischer Triebbefriedigung aufhalten. Sicher, diese Leute mag es noch immer geben, und das – liebe „früher was alles besser“ Szeneveteranen – auch unter den Nachwuchs-Schwarzen. Dass Blutengel & Co. zu den Helden des Szene-Mainstreams gehören, spricht aber eine mehr als deutliche Sprache. Das Klischee regiert und jedes Faltboot hat mehr Tiefgang als diese dauerpubertanten Texte. Die obligatorische Frage nach dem „Ist das Kunst oder kann das weg“, lässt sich hier klar und deutlich beantworten: DAS KANN WEG!

NACHTRAG:

Ich habe mich erhlich gesagt über die Vielzahl an Meinungen zum Thema gewundert, mal von einem satyrischen Dauertroll und einem albernen Elsterglänzer abgesehen, hatten die Meinungsäußerungen durchweg Substanz. Insofern ist es um die Schwarze Szene nicht ganz so schlimm bestellt, schließlich kümmern sich die Beteiligten noch darum, wie ihre Szene aussieht.

Um es klarzustellen: Ich bin nicht die Szenepolizei und deshalb entscheide ich nicht, was „gruftig“ ist und was nicht – auch weil ich an dieser Art Klassifizierung kein Interesse habe.

Ich nehme mir trotzdem heraus, eine Meinung zu vertreten, die manchem vielleicht nicht passt aber es ist meine Meinung, die ich in meinem Blog kundtue. Wer die Meinung doof findet, kann dies gern mitteilen oder einfach zur nächsten Seite weiterklicken, wo jemand die gegenteilige Anschauung vertritt.

Früher war sicher nicht alles gut, aber manches besser (s. Video). Für die Schwarze Szene maße ich mir an, einzuschätzen, dass sie in vielen Bereichen gut war. Wie gesagt, das könnt Ihr anders sehen und auch gern diskutieren. Vielleicht überzeugt mich ja das eine oder andere Argument. In diesem Sinne: Weitermachen!